Zeig mir mehr von Sachsen-Anhalt: Unterwegs als Küchenspionin in Havelberg

Havelberg

Sechs Uhr morgens werde ich an einem Montagmorgen im Juni vom Rauschen des Meeres geweckt. Weit entfernt hört man das Kreischen einer einsamen Möwe, ich kann die salzige Meeresluft beinahe schmecken und den warmen Sand unter meinen nackten Füßen spüren. Langsam öffne ich die Augen und starre an den weißen, raufasertapezierten Balken meines Schlafzimmers. 400 Kilometer vom Meer entfernt liege ich hier.
Täuschend echt, so ein Weckergeräusch.

Eine Stunde später sitze ich im Auto und fahre in Richtung Norden. “Hansestadt Havelberg” tippe ich in mein Navi (es sollte die vorerst letzte Zieleingabe werden, denn in der Nacht darauf wählte ein Marder mein delikates Antennenkabel als Mitternachtssnack). Als wenige Wochen zuvor die Anfrage der LandLeute Agentur in meinem E-Mail Postfach landet, ob ich eine Küchenspionin der Hansestadt Havelberg sein möchte, denke ich zu erst – uiuiui Hansestadt.. klingt nach Meer – und ich leide grundsätzlich unter Fern-Meerweh. Die Signatur und eine kurze, genauere Google-Recherche verraten mir allerdings: Ätsche, nix mit Meer. Sachsen-Anhalt, Baby! Macht aber nichts, denn Neues zu sehen ist immer aufregend und von Sachsen-Anhalt kenne ich bislang nur den Südzipfel.

Über drei Stunden fahre ich also in den Nordosten des Landes der Frühaufsteher und begegne streckenweise mehr Kühen und Schafen als Autos (neben der Straße, wohlgemerkt). Es ist sehr ländlich hier.. so ländlich, dass ich den restlichen Tag keinen Handyempfang haben werde und nicht wie geplant live vor Ort auf Instagram berichten kann. Aber wofür gibt es Blogs 😉 Als ich das Ortseingangsschild des Erholungsortes Havelberg im Landkreis Stendal passiere, wirkt alles ganz anders als ich es mir vorgestellt habe. Schon von Weitem erkennt man den alles überragenden Dom der 6000 Einwohnerstadt an der Havel. Wer hätte überhaupt gedacht, dass dieses schnuckelige Fleckchen noch dazu einen eigenen Dom besitzt? Über eine Brücke erreiche ich die auf einer Insel liegende Altstadt mit ihren engen Gassen und Stegen (und Einbahnstraßen). Vorbei am alten Pegelhäuschen, der St. Laurentius Kirche (die um 1300 erbaut wurde, wie ich später erfahre) und den bezaubernden Fachwerkhäuschen, treffe ich am Yachthafen (!) auf die “Küchenspione” Jenny Freier (Tourismusmanagerin der Verbandsgemeinde Elbe-Havel-Land) und Marina Heinrich (SGL Kultur & Tourismus Hansestadt Havelberg) sowie Katrin Hamann (Kultur- und Landschaftsführerin) und Andrea Schröder von der Volksstimme, mit denen ich den restlichen Tag verbringen werde.

Havelberg

Havelberg

Hier auf der Havel, wo sich früher große Handelsschiffe nach Hamburg auf machten, verkehren heute nur noch Passagierbötchen. Bei strahlend blauem Himmel entern auch wir zwei kleine Motorboote und schippern mit Kaltgetränken eine gute Stunde über den ruhigen Fluss – Stadtführung mal anders und ganz okay für einen Montag. 😉 Verkehrsgünstig gelegen am Mündungsbereich der Elbe ist Havelberg sichtlich geprägt von der damaligen Schifffahrt, Fischerei, dem Boots- und Schiffbau. Am Ufer reihen sich niedliche Häuschen mit hübschen Vorgärten und direktem Zugang zum Wasser.
Von Katrin erfahre ich auch, dass die Havel derzeit auf 90km zurückgebaut wird – das größte Renaturierungsprojekt Europas. Altarme werden wieder angeschlossen und Überflutungsflächen geschaffen. So soll vermieden werden, dass umliegende Städte bei Hochwasser – wie bereits 2013 – wieder überflutet werden und die Flusslandschaft naturnah erhalten wird. Denn die Auenlandschaften im Elb-Havel-Winkel zählen zu den artenreichsten Lebensräumen. Es ist idyllisch hier rings um die Altstadtinsel – die “island in the sun”. In Ufernähe zirpt es, Seerosen breiten sich in den Nebenarmen aus, unter alten, schattigen Bäumen liegen Kühe im Gras, direkt neben den Ruhe- und Rastplätzen von Schwänen, Kranichen, Fisch- und Seeadlern. Über uns krächzt eine Möwe und ich muss an heute Morgen denken. Es ist viel aufregender als am Meer.

Havelberg

Havelberg

Havelberg

Havelberg

Bootstour

(c) Jenny Freier

 

Havelberg

Nach der Bootsfahrt gehen wir an Land im “Haus der Flüsse” auf Entdeckungsreise. Das erst 2015 eröffnete Informationszentrum zeigt sehr eindrucksvoll die Bedeutung der Flüsse für die Region und die damit verbundenen Besonderheiten der Flora und Fauna an Havel und Elbe, die spielerisch und mittels verschiedener Simulationen näher kennengelernt werden können. So finde ich mich tapsend auf einem virtuellen Fluss wieder, der sich um meine Schuhe zu winden beginnt und lausche im Nachtgang den nachtaktiven Tieren und ihren Geräuschen. Demzufolge ist wohl eine Schleiereule Schuld an meinen nicht ganz so erholsamen Nächten. Hier drinnen könnte man locker einen ganzen Tag verbringen und sich mit viel Spaß durch die Flut an Informationen (auch zu regionalen Produkten und ihren Nutzungsweisen) kämpfen. Der Wasserspielplatz im Außenbereich sieht – vorallem bei den knapp 30 Grad – sehr verführerisch aus, doch leider ist unser Zeitplan recht knapp bemessen.

Haus der Flüsse

Als “Küchenspionin im Elb-Havel-Winkel” muss ich mich natürlich noch der essbaren, regionalen Flora widmen. Denn die Aktion der Tourismusakteure widmet sich gemeinsam mit Bloggern jeweils monatlich einer regionalen Köstlichkeit im Nordosten Sachsen-Anhalts, die mit “Locals” zubereitet wird. Ursprünglich wollten wir mit Barbara Hallmann vom Sonnenhaus in Havelberg Holunderblüten vom Elbdeich im Bierteig frittieren und mit Bourbon-Vanillesauce, Zimt und Zucker servieren (schon allein dafür wäre es der weite Weg wert gewesen!). Aber die Hitze der letzten Wochen machte nicht nur uns, sondern leider auch den Holunderblüten zu schaffen, weshalb wir sehr spontan (also gleich vor Ort) auf ein anderes Rezept umschwenken mussten. Ein kurzer Brainstorm nach einem gemeinsamen Picknick, einem Blick an den Havelberger Waldesrand (und auf die Uhr) sagte uns: wir nehmen Brennnesseln, denn die gibt’s überall (und auch saisonübergreifend) im Überfluss. Brennnessel-Feta-Muffins für alle (Rezept gibt’s am Ende des Beitrags)!

Into the wild – Brennnesseln pflücken für Anfänger

Brennnesseln sind reich an wertvollem Eisen und Eiweiß, wirken blutreinigend und entgiftend. Das wusste schon Oma. Brennnesseln verbinden wir allerdings eher mit roten, juckenden Schwellungen bei Berührung, stimmt’s? Eher nichts wonach man spontan greifen würde, wenn man hungrig ist. Die Brennhaare der Blätter nesseln jedoch nicht, wenn sie nass sind oder von unten nach oben gestrichen werden. Vorsichtshalber mit Handschuhen bewaffnet, knipsen wir mit Daumen und Zeigefinger die oberen vier bis sechs jungen Blätter am Stängel ab und laufen mit einem vollen Korb und hungrigen Mägen zurück zum Auto.

Brennnesseln

Barbara sieht das “L” (Leipzsch!) an meinem Kennzeichen und nimmt (hochschwanger) und mit einem erfrischenden “Orrr scheen, Heimat!” auf meinem Beifahrersitz Platz. Die gebürtige Stollbergerin erzählt mir im Auto warum es sie nach Sachsen-Anhalt verschlagen hat (“Wer will denn schon nach Sachsen-Anhalt?!”) … der Liebe wegen (natürlich!)… und wie sie hier mit ihrem Mann Florian den Traum eines eigenen Bed & Breakfast leben möchte. Auf ihrem Rückwanderer-Blog berichtet sie übrigens regelmäßig von der Sanierung des 1735 erbauten Hauses – absolut lesenswert! Auf Instagram gibt’s noch dazu sichtbare Updates vom Sonnenhaus auf der Altstadtinsel. Nach einer kurzen Führung durchs Gebäude an dem ich mich ob seiner Schönheit (altes Holz, Dielen, Lehmwände und verborgenen Schmuckstücken unter vier Lagen Farbschicht) kaum satt sehen kann, widmen wir uns am späten Nachmittag unserem Hungergefühl.

Sonnenhaus Havelberg

Sonnenhaus Havelberg

Sonnenhaus Havelberg
Sonnenhaus Havelberg

Baustellen- und platzbedingt weichen wir in den Vorgarten aus, waschen und hacken die Brennnesselblätter, schlagen Eier, quirlen Sahne, zerbröseln Fetakäse, kneten und rollen Mürbeteig (gar nicht so einfach bei der Hitze!) bis wir schließlich das Muffinblech in den Ofen schieben und die Backzeit bei Gesprächen über Bauanträge, Essgewohnheiten und Foodfotografie überbrücken. Schade, dass die Muffins so schnell fertig, gegessen und fotografiert sind, denn nur zu gern würde ich mir noch mehr von der Region um Havelberg und Tangermünde ansehen.
Ich werde wiederkommen, das nächste Mal vielleicht mit dem Rad (und Muffins im Gepäck), denn Havelberg liegt am 1.260km langen Elbe-Radweg und dann auch im fertigen Sonnenhaus das Bed & Breakfast ausprobieren – mit Blick auf Kirchturm, Wasser und segelnde Möwen.

Brennnessel Muffins

Brennnessel Muffins

Brennnessel Muffins

Brennnessel Muffins

Brennnessel Muffins

 

Rezept für Brennnessel-Muffins mit Fetakäse

Zutaten (für ca. 4 Personen/ 12 Stück)

Für den Teig:

  • 200 g Weizenmehl
  • 50 g Dinkelmehl
  • ½ TL Salz
  • frische Kräuter, gehackt (z.B. Thymian oder Rosmarin)
  • 1 Eigelb
  • 50 ml Wasser

Für die Füllung

  • 180 g junge Brennnessel-Triebe
  • 4 Eier
  • 200g Schmand
  • 100 ml dicke Kochsahne
  • 80 g Feta
  • 50 g geriebener Käse (z.B. Gouda)
  • Salz, Pfeffer und Muskat

Für den Teig alle Zutaten zügig verkneten und zu einer Kugel formen. Diese dann abgedeckt ca. 30 min im Kühlschrank ruhen lassen. In der Zwischenzeit die Brennnesseln waschen und klein hacken. Eier, Schmand, Sahne, Salz, Pfeffer und Muskat separat in einer Schüssel miteinander verrühren.

Eine 12er Muffin-Form mit Papierförmchen auslegen. Den Teig ausrollen, in Größe der Förmchen ausstechen und hineinlegen. Die Muffin-Form anschließend noch einmal ca. 10 min ins Eisfach oder den Kühlschrank stellen.

Wenn der Teig wieder schön fest ist, den Großteil der gehackten Brennnesselblätter auf die 12 Förmchen verteilen. Den Fetakäse darüber krümeln und alles mit der Sahne-Ei-Mischung auffüllen. Anschließend einige zurückbehaltene Brennnesseln zusammen mit dem geriebenen Käse darüber streuen.

Die Muffins für ca. 30 – 35 min im vorgeheizten Ofen bei 170° C Umluft backen, bis sie goldbraun sind.

 

Tipp: Die Muffins schmecken frisch mit einem grünen Salat oder auch am nächsten Tag kalt als Snack im Büro. 

 

Sponsored Post: Dieser Beitrag entstand nach einem Ausflug nach Havelberg und spiegelt meine persönlichen Eindrücke, Empfehlungen und Erlebnisse wider. Alle Kosten wurden von der Agentur für Regionalentwicklung des Elb-Havel-Winkels (LandLeute) übernommen.
Herzlichen Dank für die Einladung und diesen erlebnisreichen Tag!

 

Auch die Volksstimme hat über den Tag berichtet – hier geht’s zum Artikel.

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